In der Zeitschrift Dogs 2/2020 sowie auf stern.de ist ein Artikel über Laborbeagles erschienen, der auch unseren Verein erwähnt. Aufhänger und roter Faden des Artikels ist die – zum Teil fiktive – Lebensgeschichte von Toffee, einem ehemaligen Laborbeagle, der im Mai 2018 von uns in sein neues Zuhause vermittelt wurde. Bei der Recherche für den Artikel hat die Autorin verschiedene Quellen herangezogen. Durch die Art und Weise, wie sie die Ergebnisse ihrer Recherchen miteinander verwebt und verbliebene Lücken mit eigener Fantasie füllt, entsteht ein schiefes bzw. unzutreffendes Bild von unserer Vermittlungsarbeit und der Situation von Laborbeagles in Deutschland. Daher möchten wir folgendes richtig stellen:

DOGS 1Die Lebensumstände von Laborbeagles im Institut erscheinen bei Lektüre des Artikels geradezu paradiesisch. Sicherlich werden die Haltungsbedingungen in vielen Instituten dem gezeichneten Bild entsprechen – es gibt aber durchaus andere Labore, wie die Autorin selbst anmerkt. Anfang des Jahres wurde das Auftragslabor LPT in Mienenbüttel bei Hamburg u.a. wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz geschlossen. Nicht etwa, weil das Veterinäramt von sich aus so genau und zum Wohle der Tiere hingesehen hätte, sondern weil es den Organisationen SOKO Tierschutz e.V. und Cruelty Free International gelungen ist, dort Videoaufnahmen zu machen, die die Behörden nach jahrzehntelangen Eingaben und Protesten von Tierschützern endlich zum Handeln gezwungen haben. Die Bilder aus dem LPT sind nichts für schwache Nerven, zeigen aber ein Stück Realität von Tierversuchen und mangelnder behördlicher Kontrollen in Deutschland. 

Doch auch in einem gut geführten Labor ist das Leben eines Laborbeagles nicht so heiter, wie der Artikel suggeriert. Denn selbst ein scheinbar harmloses Experiment bedeutet Leid und Unfreiheit für das Tier, das dafür „eingesetzt“ wird. Dies blendet der Artikel völlig aus. Kein Tier nimmt freiwillig an Versuchsreihen teil. Daran ändert das beste Medical Training nichts. Gleichzeitig macht ein fairer und freundlicher Umgang mit den Tieren natürlich einen großen Unterschied – während der Zeit im Institut, aber auch im Leben danach. 

Die Aussage, dass „Tieren grundlos kein Schmerz mehr zugefügt werden darf“ und Versuche „ausschließlich in der Grundlagenforschung, Medizin oder Toxikologie erlaubt bzw. vorgeschrieben“ seien, ist zwar sachlich richtig, bedarf aber der Einordnung. Die zitierte gesetzliche Regelung klingt wichtig, richtig und auf fatale Weise beruhigend – solange man sich nicht klar macht, was das konkret bedeutet. Schmerzen, die ein Tier im Rahmen eines Versuchs erleiden muss, sind nicht „grundlos“, wenn sich daraus in irgendeiner Weise ein Nutzen für den Menschen ergibt oder ergeben könnte. Damit lässt sich praktisch jeder Versuch rechtfertigen. Hinter den abstrakten Begriffen verbergen sich vielfach grausame und ethisch fragwürdige Experimente. Darüber müssen wir uns als Gesellschaft im Klaren sein. Wer damit nicht einverstanden ist, kann politisch Druck ausüben und gezielt Produkte von Unternehmen zu kaufen, die keine Tierversuche durchführen (lassen). Entsprechende Listen findet man im Internet.DOGS 2

Wenn die Autorin schreibt, dass Versuchstiere „nur eine einzelne schwere Testreihe durchlaufen“ dürfen, ist das zwar zutreffend, aber auch irreführend. Es klingt, als würde schon nach einem Versuch ein Leben in Freiheit warten. Das ist aber nicht so. Tiere dürfen nach Versuchen mit „geringem“ oder „mittlerem“ Schweregrad grundsätzlich wiederholt eingesetzt werden, und auch nach schweren Versuchen gibt es Ausnahmen. Im Jahr 2018 waren laut der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlichten Tierversuchsstatistik (glücklicherweise nur) 13 Hunde einem schweren Versuch ausgesetzt. Demgegenüber wurden an 3.966 Hunden Versuche mit geringer oder mittlerer Schwere durchgeführt. Und diese ganz überwiegende Mehrheit darf immer wieder in Versuchsreihen eingesetzt werden, solange es keine schweren Versuche sind. Im Jahr 2018 wurden 1.871 Hunde „wiederverwendet“. Wie viele Versuchsreihen diese Hunde bereits hinter sich hatten, gibt die Statistik nicht preis. 

Die Autorin spricht – ohne Quellenangabe – von rund 2.000 ehemaligen Laborbeagles, die nach Abschluss der Versuche in ein neues Leben starten dürfen. Dies erscheint sehr hoch gegriffen. Ärzte gegen Tierversuche e.V. führt eine unvollständige Liste mit Adressen von rund 700 Tierversuchseinrichtungen. Nur eine Handvoll davon gibt regelmäßig Beagles an Organisationen wie uns ab. Die Vermittlungszahlen der wenigen Laborbeagle-Organisationen in Deutschland dürften zusammengenommen bei etwa 200 bis 300 Hunden jährlich liegen. Hinzu kommen die Hunde, die direkt von Hochschulen oder Instituten vermittelt werden. Konkrete Zahlen hierüber sind nicht belegt, aus der Erfahrung heraus schätzen wir die Anzahl dieDOGS 3ser Tiere ebenfalls auf wenige Hundert pro Jahr. Die Tierversuchsstatistik enthält keine Informationen über das Schicksal der Tiere nach Abschluss der Versuche. Die Abgabe der Hunde in Privathaushalte ist in der Tierschutz-Versuchstierverordnung lediglich als Option formuliert – vorgeschrieben ist sie nicht. Gleichwohl ist die Tötung „ohne vernünftigen Grund“ nach dem Tierschutzgesetz verboten. Geht man davon aus, dass von 4.000 Laborbeagles jährlich die Hälfte erneut in den Versuch geht und 500 weitere entlassen werden, bleiben 1.500 Beagles übrig, deren Schicksal ungeklärt ist. Man muss leider annehmen, dass die Tötung im Anschluss an den Versuch immer noch verbreitet ist. 

Zu unserem Vermittlungsprozess: Dieser sieht zwei Telefongespräche und eine Vorkontrolle im zukünftigen Zuhause vor – keinesfalls müssen Interessenten „eine Teamsitzung mit dem Verein hinter sich bringen.“ Die zukünftigen Halter werden von uns nicht verhört, sondern vor allem umfassend darüber informiert, was mit der Adoption eines Laborbeagles auf sie zukommen kann und welche Anforderungen der Hund an seine neue Familie stellt. Stubenreinheit und Treppensteigen sind dabei die geringsten Probleme: Viele „Selbstverständlichkeiten“ wie durch Türen gehen, sich draußen lösen oder fressen in ungewohnter Umgebung können schwierig sein. Zwei Wochen, wie es dem Artikel nach den Anschein hat, reichen nicht aus, um einen Laborbeagle an sein neues Leben zu gewöhnen. Hier sind Zeit und Geduld gefragt, in manchen Situationen ein Beagleleben lang.

In den ersten Tagen, Wochen und Monaten nach der Entlassung ist die Sicherung des Laborbeagles extrem wichtig. Der Artikel bzw. die begleitenden Fotos zeichnen auch hier ein falsches Bild. Die Bildunterschriften erwecken den Eindruck, als wäre Toffee kurz nach seiner Entlassung zu sehen. Tatsächlich sind die Fotos fast zwei Jahre später entstanden. Das ist kein unwichtiges Detail, weil Toffee auf den Bildern nur ein Halsband trägt, was keinesfalls geeignet ist, um einen frisch entlassenen Laborbeagle vernünftig zu sichern. In einem Schreckmoment kann sich ein Hund sekundenschnell aus Halsband und/oder Brustgeschirr befreien und in Panik davonlaufen. Da es leider immer wieder vorkommt, dass Laborbeagles auf diese Weise tödlich verunglücken, statten wir die von uns vermittelten Hunde mit Sicherheitsgeschirren aus, um das Risiko soweit es geht zu minimieren. DOGS 4

Was die Abholung und den Transport der Laborbeagles angeht: Wir haben nur als angemeldete Besucher Zutritt zum Betriebsgelände der Institute. Wir schlendern dort nicht im Auslauf herum und locken die Hunde auch nicht auf der institutseigenen Wiese mit Leckerli in die Transportboxen. Vielmehr nehmen wir die Beagles in einem geschützten Bereich von Institutsmitarbeitern in Empfang, die sie in unsere mitgebrachten Boxen setzen. Wenn möglich, bringen wir die Hunde direkt ins neue Zuhause. Bei längeren Strecken – wie im Fall von Toffee – machen wir einen Zwischenstopp auf gesichertem Gelände, wo die neuen Halter ihren Hund auch abholen können. Die letzte Etappe fahren die Beagles dann wieder in der Box oder gut gesichert auf dem Rücksitz. Ganz bestimmt düsen sie nicht im offenen Cabriolet mit flatternden Ohren ihrem neuen Leben entgegen. Die meisten Laborbeagles würden dabei nicht staunen, sondern vor Angst kotzen. Dass ausgerechnet die Geräuschempfindlichkeit ein Leben lang erhalten bleibt, können wir nicht bestätigen. Dies ist bei jedem Hund individuell verschieden. Der guten Ordnung halber sei noch gesagt, dass die erwähnte „Vereinskollegin“ Gabriele Suhr die zweite Vorsitzende eines anderen Vereins ist.

Die Herkunft der von uns vermittelten Laborbeagles legen wir niemals offen, d.h. die neuen Familien wissen nicht, aus welchem Labor ihr Hund stammt. Nur unter dieser Voraussetzung sind Institute und Labore überhaupt bereit, Hunde an Organisationen wie uns abzugeben. Der Artikel erweckt den Eindruck, als sei Toffee bis zu seiner Entlassung Zuchtrüde bei dem im Artikel zitierten Unternehmen gewesen. Dies ist reine Spekulation.

Das Team des LaborbeagleVereins e. V. im April 2020